Fortbildung zum Thema AD(H)S
Im November und Dezember 2014 nahmen wir als Team geschlossen an einer internen Fortbildung zum Thema AD(H)S – Medikalisierung und Konzentrationserziehung teil. Dafür konnten wir Frau Dr. Miriam Stiehler als Referentin gewinnen. Ihr Wissenschaffer-Seminar baut auf Paul Moors Konzept des inneren Haltes (P. Moor: Heilpädagogische Psychologie, Erster Band, Huber Bern & Stuttgart, 1960, S. 193 ff.) auf und verbindet seine Thesen mit der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion um Konzentrationsprobleme. Durch Studium und Lektüre war bei allen schon Vorwissen vorhanden, so dass wir in den zwei Tagen sehr intensiv arbeiten konnten.
Innerer und äußerer Halt bei Kindern mit AD(H)S
Paul Moor hat bereits in den 60er Jahren Verhaltensweisen unkonzentrierter Kinder beschrieben. Dabei ist eine große Übereinstimmung mit den heutigen ADHS-Symptomen der DSM-IV auffällig. Paul Moor, der diese Problematik aus pädagogischer Sicht in Angriff nimmt, definiert als übergeordnetes Erziehungsziel den Erwerb eines inneren Haltes. Dazu findet das Kind, indem es äußeren Halt im Elternhaus, in Umwelt und Mitwelt erlebt. Dieser wird den Kindern einerseits durch verlässliche sichere Beziehungen, die die Gemütserziehung fördern, gegeben. Aus den emotionalen Stimmungen zu Hause, z. B. beim Erledigen der Hausaufgaben, beim Übernehmen kleinerer Arbeiten und Aufgaben, beim Feiern und miteinander spielen, etc. werden Gehalte. Diese ermöglichen ein tiefes und reiches Gemütsleben.
Als zweites nennt Paul Moor zur Bildung eines inneren Haltes den Willen. Dieser zeigt sich im Tun und hat dadurch großen Einfluss auf das Können. Beispielsweise ein Kind, das beim Plätzchenbacken mitmachen will, übt seine Fähigkeiten und verbessert sein Können im Tun. Es erlebt durch das Ergebnis der Bemühung (die leckeren Kekse) und durch die Freude der Mutter eine emotionale Bedeutung, die das Gemüt anspricht. So stehen Wille und Gemüt in wechselseitiger Beziehung und sind entscheidend am Aufbau eines inneren Haltes und damit einer stabilen Persönlichkeit beteiligt.
Bei Kindern mit ADHS ist meist der innere Halt nicht ausreichend entwickelt. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Frau Dr. Stiehler erarbeitete mit uns Möglichkeiten, individuelle Ursachen für Konzentrationsprobleme bei den Kindern zu erkennen. Dazu wurden unterschiedliche Typisierungen von ADHS-Kindern vorgestellt. Bedingt durch Charakter (spritzig, impulsiv) oder innere oder äußere Konflikte können auch ungünstige Bedingungen in der Erziehung die Problematik verstärken. Wo genau die Erziehung und auch unsere heilpädagogischen Maßnahmen ansetzen können, um dem jeweiligen Kind zu helfen, wurde anhand von Fallbeispielen exemplarisch erarbeitet.
Pädagogische Herangehensweise
Eine medikamentösen Behandlung von AD(H)S diskutierten wir ebenfalls. Medikamente beheben nicht die Ursachen, sondern dämpfen lediglich die Unruhe der Kinder. Gleichzeitig sind Langzeitfolgen nicht ausreichend erforscht bzw. es treten unerwünschte Nebenwirkungen auf. Nach Absetzen des Medikamentes besteht die Problematik weiter. Deshalb haben wir uns für eine pädagogische Herangehensweise entschieden, um mit dem Kind und den Eltern gemeinsam langfristige Fortschritte in der Persönlichkeitsentwicklung erzielen zu können.
Dankeschön!
Frau Dr. Stiehler hat uns die Seminar-Inhalte in sehr frischer, interessanter und praktischer Art und Weise nahe bringen können, so dass das Weiterbilden trotz Anstrengung große Freude gemacht hat. So wurden bei uns auch Gemüt und Wille angesprochen und wirken nachhaltig auf unser heilpädagogisches Können! Vielen Dank dafür!
Gesine Herzog